Als mich paar Freunde aus den USA fragten wie die Nazis in Deutschland vertreten sind und wie mächtig sie sind, leuchtete es mir ein. Es kann einfach nicht sein, dass das Deutsch-Sein weiterhin mit dem Nationalsozialisismus assoziiert wird. Nach dem ich die Frage verdaut hatte, antwortete ich mit „ Ja, auch Nazis gibt es in Deutschland“ und fragte zurück „ Auch bei euch gibt es Skinheads oder?“. Auch die Antwort dieser Frage war selbstverständlich. Offensichtlich hatten wir es als Volk nicht geschafft das alte Bild durch das neue zu ersetzen. Doch wir ändern dieses Bild erst, wenn jeder anfängt sich selbst zu ändern. Indem wir es noch mal lernen uns gegenseitig zu akzeptieren. Das harmonische Zusammenleben erst in unserem Land wiederherstellen, zu erkennen, dass auch Nazis, Homosexuelle und auch Islamisten in unserer Gesellschaft einen Platz finden, dass auch sie Teile unseres Leibes sind und deshalb nicht hinweggedacht werden können. Wenn einem die eigene Nase nicht gefällt, kann man sie nicht wegoperieren lassen, sondern gewöhnt sich dran, lernt damit zu leben. Auch über die Funktion der krummen Nase soll man nicht hinwegsehen. Je mehr wir versuchen krumme Körperglieder gerade zu biegen, brechen sie genau von der Mitte ab und diesen Schaden haben wir uns selbst zugefügt.
Jede Erfahrung zeigt, dass marginale Gruppierungen, die sich von der Gesellschaft isoliert haben oder isoliert wurden (meistens sind es beide Parteien, die ein symbiotisches Leben verweigern) eine Gefährdung darstellen. Doch einer muss dem Anderen die Hand reichen damit das Problem, wenn es tatsächlich eins gibt, behoben wird. Dialogbrücken sollten wir bilden, die Hand der Vernunft und der Liebe soll auch die aus den dunkelsten Ecken unserer Gesellschaft kommenden Menschen berühren. Dabei besonders zu achten „ Keiner ist dem Anderen über- oder untergeordnet“. Nur diese Annahme wird die Säulen unserer Dialogbrücken zerstören.
Eine Gesellschaft kann deutlich besser funktionieren, wenn Einzelne empathieren können und dies können wir am besten durch Dialoge ermöglichen. Das Einander-Kennenlernen weist sich definitiv als eine große offene Lücke in unserem Land auf, sodass Vorurteile gegenüber andere sich nicht beseitigen lassen.
Zu verlangen, dass alle die Arme soweit wie möglich öffnen und den Anderen willkommen zu heißen, möge man als utopisch sehen aber auch nur so können wir die größte Zahl an offenen Herzen erreichen.
Toleranz ist ein gemeinsamer Wert, ein globaler Konsens, worauf menschliche Beziehungen gestützt werden. Gewiss ist die Toleranz nicht die höchste Tugend, denn zu tolerieren hieße zu dulden und dulden ist beleidigen, so Goethe. Zu tolerieren bedeute also, dass man die Geduldeten ihre Existenz gerade noch unangetastet lässt.
Wir sollten andere nicht nur dulden sondern sogar ermutigen. Andere? Wer ist denn hier der Andere?
Ilyas Oyamak