Die Grausamkeit ist kein Teufelskreis

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Heute leben wir in der modernsten Epoche der Menschheitsgeschichte. Dennoch erleiden in diesem ersten Viertel des 21. Jahrhunderts immer noch Millionen von Menschen auf der ganzen Welt unermessliches Leid. Von Uiguren bis zu Ukrainern, vom Jemen bis nach Myanmar. Man könnte sich denken: Nach den Weltkriegen und zahlreicher Fehler haben wir es geschafft, eine Weltordnung zu etablieren, die weniger Kriege erlebt. Dennoch müssen wir noch einen weiten Weg zurücklegen, um uns als Menschheitsfamilie zu definieren.

In Myanmar erlebte die Menschheit eine von zahlreichen Schandtaten ihrer Geschichte. Grausamkeit kennt keine Religion. Sie gehört keiner Religion an und hat keinen Platz in der zivilisierten Welt. Doch die Motive der Täter weisen manchmal Parallelen auf, die im Allgemeinen unter gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit eingeordnet werden können. Konkrete Beispiele hierfür sind die Gräueltaten im Bosnienkrieg (1992-1995), die Repressionen und Verfolgung der Rohingya-Muslime in Myanmar (insbesondere seit den 1980er Jahren bis 2017) sowie der Uiguren-Muslime im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang in der Volksrepublik China. Welche Gemeinsamkeit spielt eine entscheidende Rolle in diesen Leidensgeschichten? Ihre religiöse und ethnische Identität! Es ist bedauerlich, dass Menschen, die fälschlicherweise glauben, dass muslimische Minderheiten in ihren Heimatländern diese Barbarei verdienen, oft nicht gewissenhaft recherchieren, um die tatsächlichen Unterschiede zu verstehen. Unschuldige Zivilisten, vor allem Frauen und Kinder, sollten nicht aufgrund ihres Glaubens ihr Leben in unermesslichem Leid verbringen müssen. Gilt dies nur für Muslime und die genannten Gebiete? Mitnichten. Seit der Zeit des Kolonialismus, und sogar vorher haben Menschen immer wieder Mitmenschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Rasse, Kultur und Religion diskriminiert. Millionen Menschen erlitten unermessliches Leid allein aufgrund ihrer Hautfarbe.

In einer Welt, in der wir tausendfach dasselbe Leid unschuldiger Menschen bezeugen können, frage ich mich bei jeder Person, die unabhängig von ihrer Nation oder Religion unter ungerechter Unterdrückung und Ungerechtigkeit leidet: Was geschieht in meinem Herzen? Es fühlt sich an, als ob etwas Schlimmes, etwas Ungeheures geschieht, als ob ein Teil meiner Seele verloren geht oder vielleicht vermisst wird. Kann das die Menschlichkeit sein? In der islamischen Kultur sagt man: “Allah u alem,” was bedeutet, dass nur Gott, der Allwissende, alles weiß. (Ist eine ähnliche Aussage nicht, Gottes Wege seien unergründlich?)

Was würde Buddha sagen, wenn er Zeuge wäre, wie Myanmar-Muslime unter der Unterdrückung einer extremistischen Ideologie leiden, die den Buddhismus nur als Instrument missbraucht? Ich, ein Muslim, der sein ganzes Leben lang versucht hat, verschiedene Religionen zu erforschen, sage es offen: Unterdrückung, Diskriminierung, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit haben keinen Platz in der Theorie des Buddhismus, genauso wenig wie in allen anderen Weltreligionen. Diejenigen, die im Namen des Buddhismus in Myanmar Muslimen Unrecht tun, sollten die buddhistische Lehre von Grund auf neu studieren.

Was den Buddhismus so faszinierend macht, lässt sich nie endgültig feststellen. Aber eines ist klar: Wie alle Weltreligionen bietet er Antworten auf grundlegende Fragen des menschlichen Lebens, sei es der Sinn des Lebens, die soziale Ordnung, das Glück der Seele oder das Wohl der Menschheit. Die Botschaften aller Weltreligionen mögen in ihren Lehren und Wegweisungen Unterschiede aufweisen, aber sie haben auch viele Gemeinsamkeiten, insbesondere in ethischen Fragen, im Verständnis des Lebens und in der Spiritualität.

Wir haben die Möglichkeit, die Leiden der Menschheit richtig und objektiv zu analysieren und daraus allgemeingültige Lehren für menschliche und friedliche Werte abzuleiten, damit die Grausamkeit nicht weiterhin einen Teufelskreis bildet. Lassen Sie mich diesen Beitrag mit der Goldenen Regel aller Gesetze, Weltanschauungen und Religionen beenden: “Behandle alle anderen Menschen so, wie du selbst behandelt werden möchtest.”

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