(Hans Küng, Schweizer Theologe, römisch-katholischer Priester und Autor)
Aber auch, wenn du dich nur informieren willst, ist dieser Artikel genau richtig für dich.
Denn wenn du öfters mit Menschen aus anderen Religionen zusammen bist, möchtest du sicherlich wissen, wie dein gegenüber denkt. Was ihr/ihm wichtig ist, damit du keine Fehler im Umgang mit ihm machst. Denn Fehler -auch wenn sie ungewollt sind- erschweren den Dialog.
Ich selber nehme häufig an interreligiösen Veranstaltungen teil und merke immer noch, dass es auf beiden Seiten noch Defizite gibt.
Aber das muss nicht sein. Es gibt einige wenige Dinge auf die du achten kannst, dann klappt es auch mit dem Dialog.
Das soll jetzt keine “ultimative Anleitung” darstellen, wie man mit Muslimen umgehen soll; du machst auch keine Fehler wenn du dich nicht an diese Punkte hältst. Vielmehr soll das hier einen Blick auf die muslimische Seite verschaffen. Nach einer gewissen Zeit wirst du diesen Text eh nicht mehr brauchen, weil du es verstanden hast (ist nicht schwer).
Ich werde zuerst mit der muslimischen Seite anfangen. Später möchte ich die christliche Seite aufgreifen.
Los geht’s!
Es gibt -wie es im Leben nun mal so ist- nicht nur ein schwarz und weiss, sondern etliche Grautöne. Dein Gesprächspartner kann sich als Muslim bezeichnen und nicht an die islamischen Vorschriften halten. Dazu gehören z.B. das Verrichten des Gebets (5x am Tag), das Fasten im Fastenmonat Ramadan und der Verzehr von Fleisch, welches nach islamischer Vorschrift geschlachtet wurde (sog. halal-Schlachtung), etc. Dabei sind Kreuzkombinationen möglich, sprich, er/sie betet nicht regelmäßig, aber achtet auf halal-Fleisch, oder verrichtet nicht regelmäßig das Gebet etc. Darum kannst du nur gewinnen, wenn du auf diese Aspekte achtest. Wenn du es nicht weisst, frag’ einfach nach (Fastest du eigentlich? Wie sieht es mit dem Gebet aus?)! Kein Muslim wird es dir verübeln, ganz im Gegenteil: er wird sich freuen, dass du Interesse an ihm zeigst.
Da die Gebetszeiten sich nach dem Stand der Sonne orientieren variieren die Gebetszeiten je nach Jahreszeit. So sind im Winter die Gebetszeiten auf ca. 12 Stunden verteilt, während es im Sommer ca. 18 Stunden sind. Das bedeutet, dass ein Muslim im Winter sehr schnell Gebetszeiten verpassen kann, wenn er zu fahrlässig mit seiner Zeitplanung umgeht. Im Sommer hingegen hat er mehr Zeit und ist flexibler. Im Winter möchte sich ein Muslim deshalb am liebsten nach der letzten Gebetszeit ca. 18 Uhr treffen, da er dann seinen religiösen Verpflichtungen nachkommen kann. Wenn du ihm aber eine Möglichkeit zum beten bieten kannst, wird ihm das Freude bereiten, weil du ihm damit behilflich bist, seinen Aufgaben als Muslim nachzukommen. Das ist eine gute Gelegenheit bei ihm zu punkten. Biete ihr/ihm einfach eine ungestörte Ecke an. Muslime sind in der Hinsicht unkompliziert.
Der Fastenmonat Ramadan ist ein spiritueller Monat für Muslime. Sie sind dann logischerweise körperlich nicht besonders belastbar. Umso anstrengender ist es für sie ihren weltlichen Pflichten nachzukommen. Und eine Sache noch: Nein, auch trinken dürfen die Muslime während der Fastenzeit nicht. Das ist die häufigste Frage, die Muslime jedes Jahr beantworten müssen. Wenn du einem fastenden Muslim etwas Gutes während der Fastenzeit tun willst, behandle ihn so wie immer. Es ist schon unangenehm wenn jemand dauernd versucht zu verstecken, dass er in seiner Gegenwart ißt. Tu’ so als wäre nichts besonderes. Wenn du hier punkten willst, frag’ ihn doch einfach mal, wie so ein Fastenbrechen aussieht und ob du nicht mal an einem Fastenbrechen teilnehmen könntest. Auch wenn es in Europa nicht üblich ist, sich selbst einzuladen, würden sich Muslime darüber riesig freuen. Darüber habe ich hier schon geschrieben.
Hast du schon Erfahrungen mit Ramadan? Nutze die Kommentarfunktion unten!
Leider ist es nicht damit getan zu sagen:”Das kannst du essen, das ist kein Schwein.” Das mag für einige Muslime kein Problem sein (siehe Punkt 1), es gibt aber nicht wenige Muslime, die auf halal-geschlachtetes Fleisch achten. Selbst hier gibt es Unterschiede. Einige Muslime vertrauen nicht jedem muslimischen Fleischer bzw. nicht jedem halal-Stempel auf Wurstdosen etc. Wenn du hier punkten willst: wenn du einen Muslim zum Grillen einlädst, könntest du ihm vorschlagen dass er sich um das Fleisch kümmern soll. Damit wärst du auf der sicheren Seite. Muslime sind was das Fleisch angeht ziemlich penibel, d.h., sie würden das Fleisch wahrscheinlich nicht mehr essen, wenn es neben dem Schweinenacken auf dem Grill lag oder neben den Würstchen. Versuche deshalb am besten einen kleinen separaten Grill aufzutreiben (oder dein muslimischer Freund soll einen mitbringen, dann hat er auch ein ruhiges Gewissen).
Auch hier: wenn du dir nicht sicher bist, frag’ einfach nach.
In Europa ist es ein Zeichen von Unfreundlichkeit bzw. Kälte wenn man sich zur Begrüßung nicht die Hand schüttelt. Muslime scheuen sich, jemandem die Hand zu schütteln, der vom anderen Geschlecht ist. Das hat aber absolut nichts mit Abneigung zu tun. Dazu sagt die Autorin und Bloggerin Hilal Akdeniz folgendes:
Es ist für jede Muslima wohl etwas zwiespältig in dieser Situation. Auf der einen Seite möchte man die Hand nicht geben, weil es in der muslimischen Tradition diese Form der Begrüßung nicht gibt. Andererseits möchte man den nicht-muslimischen Gesprächspartner durch diese Form der Abweisung nicht von vornherein von dem Gespräch distanzieren.
Es ist immer schön wenn der Gesprächspartner einen nicht mit dieser Wahl konfrontiert und diese Softskills von Haus aus mitbringt.
Ich persönlich habe mich damit arrangiert und lasse keine ausgestreckte Hand in der Luft.
Ich habe allerdings auch schon von Freunden erzählt bekommen, dass es für sie besonders unangenehm war. Eine Freundin wurde sogar im Eifer des Gefechts schon einmal umarmt, sie sagte zwar selbst, dass diese Person es wirklich unbedacht ohne irgendwelche schlechten Absichten gemacht hat, dennoch hatte sie sich für einige Tage damit geplagt.
Viele Muslime überwinden sich und reichen dann trotzdem die Hand um keine unangenehme Situation aufkommen zu lassen. Da viele dies aber nicht wissen und die Hand zur Begrüßung ausstrecken gehen sie im schlimmsten Fall leer aus.
Wenn du hier punkten willst: warte darauf, dass dein gegenüber den ersten Schritt macht und die Hand ausstreckt. Wenn nicht, sei nicht beleidigt. Es wäre dann eine nette und respektvolle Geste wenn du deine Hand auf die eigene Brust legst als Zeichen für ein “Danke schön” bzw. als Begrüßung ohne Händeschütteln.
Leider wird in den weiten Teilen Europas das Kopftuch noch als Zeichen von Unterdrückung gesehen. Andere wiederum sehen das Kopftuch als ein politisches Symbol. Oder als ein missionarisches Symbol (vor allem wenn es um Lehrerinnen mit Kopftuch geht). Alles falsch. Das Kopftuch ist nichts weiter als eine “Standardbekleidung” für muslimische Frauen. Ich sage Standardbekleidung, weil viele Menschen eine Lehrerin mit Kopftuch mit einer Nonne vergleichen. Auch das ist falsch. Wenn eine Nonne unterrichtet, hat sie meist einen religiösen Unterrichtsstoff den sie vermitteln will. Bei kopftuchtragenden Frauen ist es aber nicht so. Sie sind Frauen, die Mathe, Französisch oder Deutsch unterrichten können. Also im Gegensatz zu Nonnen keinen religiösen Auftrag haben bzw. nicht haben müssen. Was das Kopftuch für Frauen bedeutet, die es aus Überzeugung tragen und ob diese Frauen ein von der Gesellschaft abgeschottetes Leben führen, erfährst du hier, hier und hier. Wenn du hier punkten willst: Frauen, die aus religiöser Überzeugung ein Kopftuch tragen, versuchen wahrscheinlich auch ein religiös betontes (Privat-)Leben zu führen. Eine religiös-lebende Muslima fühlt sich geehrt und respektiert, wenn ein Mann sie ohne einen Handschlag begrüßt (siehe Punkt 5).
Welche Erfahrungen hast du mit Kopftuchträgerinnen gemacht? Kommentiere bitte unten!
Muslime die ein religiöses Leben führen, halten ihre Wohnung sauber. Das bedeutet, dass man die Schuhe auszieht bevor man die Wohnung betritt. Einige Besucher schauen etwas entgeistert, wenn ich sie darum bete die Schuhe auszuziehen. Der Telekom Techniker, der mir den heissersehnten Internetanschluss einrichten sollte, hatte sich sogar geweigert. Natürlich war ich darüber unglücklich, aber auch traurig, wieso man denn nicht ein bisschen Sensibilität für andere Kulturen zeigen kann. Auch hier: wenn du punkten willst: frag’ nach, bevor du die Wohnung betrittst, ob du deine Schuhe ausziehen sollst. Das macht immer einen Eindruck, dass dir dein Gegenüber nicht egal ist, sondern dass du seine Gewohnheiten respektierst.
Das hört sich jetzt natürlich furchtbar kompliziert an und du fragst dich: Wie soll ich das ganze denn überhaupt behalten?
Du wirst wahrscheinlich nicht alles wortwörtlich behalten können. Aber wenn du dir etwas Mühe gibst und lieber einmal öfter nachfragst, wirst du schnell eine gute Beziehung aufbauen. (Religiöse) Muslime sind treue Menschen. Ein türkisches Sprichwort sagt nicht umsonst: Eine (gemeinsame) Tasse Kaffee birgt 40 Jahre Gefallen (im dem Sinne, dass man den Gefallen des gemeinsamen Kaffee trinkens 40 Jahre lang nicht vergisst).
Ich werde versuchen das nächste Mal die christliche Seite darzustellen. Denn auch Muslime machen Fehler im Umgang mit Christen.
8 Kommentare
Ich habe mich ehct über den Post gefreut! In meiner Bachelorarbeit habe ich über religiöse (Christentum/Islam) Kinderbücher geschrieben und untersucht, inwiefern diese zur erfolgreichen Integration von Kindern mit Migrationshintergrund beitragen. Ich studiere Germanistik und Vergleichende Religionswisssenschaft und bin immer dabei, wenn in der Uni Veranstaltungen zum Thema Interreligiöser Dialog angeboten werden. Diese Seiten könnten Euch vllt. auch interessieren: http://www.vielfalt-bewegt-frankfurt.de und http://www.religionen-entdecken.de
Hallo Katrin!
Danke für die Blumen! Es ist ein Thema, welches nicht unterschätzt werden sollte. Danke für die Links, religionen-entdecken.de kenn ich sogar schon!
LG
Serdar
Ich kann das alles gut nachvollziehen und hätte auch mit keinem Punkt Probleme (wenngleich es für mich als Nichtgläubigen schon Kopfschütteln verursacht, aber das tun die Regeln aller Religionen)… bis auf die Sache mit dem Händeschütteln und Umarmen. Ich höre davon übrigens zum ersten Mal, von daher hat dein Artikel schon interessante Informationen für mich bereitgehalten.
Du führst die muslimische Tradition als Erklärung an. So weit, so gut. Aber muss bzw. sollte man als Moslem der zweiten, dritten, vierten Generation in Deutschland da nicht mal die Bräuche überdenken? So etwas ist ja nicht in Stein gemeißelt und unveränderlich. In dem Punkt wäre es wirklich nicht zu viel verlangt, auf die Mehrheitsgesellschaft zuzugehen. Zumindeste in Händeschütteln sollte drin sein. (Es gibt ja auch in der christlichen bzw. in meinem Fall atheistischen Welt genug Leute, die es unangenehm finden, sich zu umarmen.)
Hey Olsen,
danke für deinen Kommentar. Freut mich, dass du was neues gelernt hast!
Klar kann man über die muslimische Traditionen und Bräuche reden. Was genau meinst du aber mit überdenken bzw. auf die Mehrheitsgesellschaft zugehen?
LG
Serdar
Dass man es so macht wie die von dir zitierte Autorin macht und über den Schatten seiner Religion springt. Ergo: einfach die Hand geben. Ich bin sicher, wenn man das öfter macht, gewöhnt man sich auch bald dran und denkt nicht mehr darüber nach.
Nun ja, darüber zu entscheiden, liegt bei jeder Person selbst. Die meisten reichen ja auch die Hand. Aber wenn man eine gewisse Sensibilisierung an den Tag legt, freut sich der Gesprächspartner. Darum geht’s.
LG
Serdar
Jetzt, wo ich das weiß, werde ich mal gezielt drauf achten.
Super Olsen! 🙂
LG
Serdar